- Viele wissen: Vitamine sind lebenswichtig für Immunsystem, Knochen, Hormone und mehr
- Trotzdem glauben manche, Cannabis-Produkte würden den Körper allein ausreichend versorgen
- Warum das nicht stimmt – und welche Risiken bei Vitaminmangel durch einseitige Ernährung entstehen
- Wobei Cannabis wirklich helfen kann, etwa bei Schmerzen und zur Entspannung

Der neue Wellness-Hype
Hanf ist eine der ältesten vom Menschen genutzten Kulturpflanzen. Er ist vielseitig, robust und seit Jahrtausenden geschätzt für seine Fasern, sein Öl und seine Heilkraft.
Heutzutage ist Hanf besonders angesagt. Vor allem durch die Legalisierung in Deutschland erlebt Cannabis derzeit einen Imagewandel von der verpönten Einstiegsdroge zur natürlichen Alternative in der Gesundheits- und Wellnesswelt.
Besonders Produkte mit Cannabidiol (CBD) werden als Alleskönner vermarktet. Die Vermarkter setzen dabei auf das Image von Natürlichkeit, Nachhaltigkeit und sanfter Wirkung, oft verbunden mit übertriebenen Versprechungen.
Der Hype um Hanf führt zu Übertreibungen und Mythenbildungen, etwa dass Cannabisprodukte eine ausgewogene Ernährung und die Versorgung mit Vitaminen ersetzen können. Dazu kommt oft noch die Verharmlosung der Risiken von Cannabismissbrauch.

Die Rolle von Vitaminen
Eine groß angelegte Umfrage für das Bundesinstitut für Risikobewertung aus dem Jahr 2022 hat gezeigt, dass fast alle Befragten (93 Prozent) Vitamine für lebensnotwendig halten.
Etwa ein Drittel der Befragten nimmt mindestens einmal pro Woche ein Nahrungsergänzungsmittel mit Vitaminen. Ein Sechstel der Befragten greift sogar täglich darauf zurück. Obwohl das übertrieben ist und vermutlich zu einer Überversorgung mit Vitaminen führt, stimmt es, dass unser Körper Vitamine braucht.
Trotz ihres geringen Anteils an der gesamten Menge der aufgenommenen Nahrungsmittel haben Vitamine entscheidende Funktionen, wie die folgende Tabelle zeigt:
Vitamingruppe | Funktionen im Körper | Wichtigste Quellen |
Vitamin A | Für Sehkraft, Haut, Schleimhäute, Immunsystem, Zellwachstum | Leber, Karotten, Süßkartoffeln, Spinat, Eigelb, Milchprodukte |
B-Vitamine (B1–B12) | Energiestoffwechsel, Nervenfunktion, Blutbildung, Haut und Schleimhäute, Zellteilung, Hormonregulation | Vollkornprodukte, Fleisch, Fisch, Eier, Milchprodukte, Hülsenfrüchte, grünes Gemüse, Nüsse, Leber |
Vitamin C | Immunsystem, Eisenaufnahme, Zellschutz (Antioxidans), Bindegewebe | Zitrusfrüchte, Paprika, Brokkoli, Beeren, Sauerkraut |
Vitamin D | Knochenstoffwechsel, Kalziumaufnahme, Immunsystem | Lachs, Hering, Eier, Pilze, angereicherte Lebensmittel, Bildung durch Sonneneinstrahlung |
Vitamin E | Schutz der Zellen vor freien Radikalen (Antioxidans), Hautgesundheit | Pflanzenöle, Nüsse, Samen, Vollkornprodukte, Avocados |
Vitamin K | Blutgerinnung, Knochenstoffwechsel | Grünes Gemüse (Spinat, Grünkohl), Brokkoli, Pflanzenöle |
Ein Vitaminmangel macht sich durch unterschiedliche Symptome bemerkbar. Das reicht von Müdigkeit, Konzentrationsstörungen und Infektanfälligkeit bis zu schweren Krankheitsbildern wie Skorbut (Vitamin-C-Mangel), Rachitis (Vitamin-D-Mangel) oder perniziöser Anämie (Vitamin-B12-Mangel). Die Symptome treten oft schleichend auf, sodass manche Menschen die Bedeutung von Vitaminen im Alltag unterschätzen.
Dazu kommt, dass moderne Lebensgewohnheiten das Risiko für Mangelzustände vergrößern. Verarbeitete Lebensmittel, einseitige Ernährung, Bewegungsmangel, Stress, Umweltgifte und zu wenig Sonnenlicht erhöhen den Vitaminbedarf.
Der Allgemeinmediziner und Buchautor zum Thema Cannabis Dr. Franz-Josef „Franjo“ Grotenhermen sagte allerdings in einem Interview mit dem Stern, dass eine ausgewogene Ernährung normalerweise genügen sollte:
„Wer gesund ist, sich gut fühlt, sich ausreichend bewegt und gesund ernährt, benötigt keine Nahrungsergänzungsmittel.“
Auch er ist aber der Meinung, dass frei verkäufliche Tropfen oder Öle bei manchen Verbrauchern eine positive Wirkung zeigen können.
Bei essenziellen Vitaminen handelt es sich um lebensnotwendige organische Verbindungen, die der menschliche Körper nicht (oder kaum) selbst herstellen kann.
Therapeutische Potenziale von Cannabis und Hanfprodukten
Cannabis ist mehr als eine berauschende Substanz. Die Hanfpflanze enthält über hundert sogenannte Cannabinoide, von denen die bekanntesten Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) sind.
Diese Wirkstoffe interagieren mit dem körpereigenen Endocannabinoid-System, einem komplexen Netzwerk von Rezeptoren, das unter anderem an der Regulation von Schmerzempfinden, Stimmung, Appetit, Gedächtnis und Schlaf beteiligt ist.
In den letzten Jahren hat sich die Erforschung von THC vor allem auf zwei Anwendungsgebiete konzentriert: Schmerztherapie und neurologische Erkrankungen.
Das nicht-berauschende CBD erfährt ebenfalls einen Boom. Eine 2024 auf Harvard Health Publishing erschienener Überblicksartikel über aktuelle Studien zur Wirkung von CBD fasst ein breites Spektrum an möglichen Anwendungen zusammen.
Der Hauptvorteil von CBD besteht darin, dass es nicht abhängig macht. Nachgewiesene Wirkungen gibt es bei Epilepsie, Angstzuständen, Schlafstörungen und chronischen Schmerzen.
Viele Experten warnen jedoch davor, solche Erkenntnisse zu überdehnen und Cannabis für eine Art natürliches Wundermittel zu halten. Der Göttinger Schmerzspezialist Prof. Dr. Frank Petzke sagte im Interview mit die-debatte.org:
„Ich habe das Gefühl, dass die medizinische Debatte ein Stück weit genutzt wird, um insgesamt die Akzeptanz für Cannabis zu erhöhen. Das ist aus Sicht der Befürworter einer Legalisierung nachvollziehbar. Aber der kritische Punkt ist, dass in vielen Medien über eine generelle schmerzlindernde Wirkung von Cannabis berichtet wird, die Beweise dafür jedoch sehr dünn sind und Nebenwirkungen eher bagatellisiert werden. Natürlich und gut wird sehr vereinfachend und nicht selten fahrlässig mit chemisch und böse kontrastiert.“
Risiken und Nebenwirkungen des Cannabiskonsums
Eine im April 2025 in der Fachzeitschrift International Journal of Mental Health and Addiction erschienene Studie mit über 55.000 US-amerikanischen Probanden hat gezeigt, dass regelmäßige Konsumenten von Cannabis eine um 133 Prozent erhöhte Wahrscheinlichkeit für einen schlechten physischen Gesundheitszustand im Vergleich zu Nicht-Konsumenten hatten.
Wenn Jugendliche Cannabis als Rauschmittel konsumieren, kann das zu psychischen und kognitiven Beeinträchtigungen führen. Symptome dafür sind Konzentrationsprobleme, eine verminderte Merkfähigkeit und eine herabgesetzte Reaktionsgeschwindigkeit. Manche dieser Schäden sind bleibend.
Laut Zahlen des US-amerikanischen National Institute on Drug Abuse (NIDA) entwickelt sich bei 22-30 Prozent der regelmäßigen Konsumenten eine starke Abhängigkeit.
Der Irrglaube: Hanf-Produkte können Vitamine ersetzen
In Zeiten von TikTok-Trends, Bio-Influencern und Wellness-Blogs ist es leicht, sich von vermeintlich natürlichen Gesundheitslösungen verführen zu lassen. In manchen Kommentaren liest man extreme Aussagen wie die Behauptung, CBD sei das einzige wirklich nötige Nahrungsergänzungsmittel.
Hanf-Produkte in ihrer natürlichen Form als Samen, Öl oder Extrakte enthalten zwar durchaus viele Nährstoffe: Hanfsamen sind reich an Omega-3-Fettsäuren, Ballaststoffen und pflanzlichem Eiweiß. Sie liefern jedoch keine ausreichenden Mengen an Vitaminen wie A, C, D, E oder den komplexen B-Vitaminen, die für den Körper unverzichtbar sind.
Wer also glaubt, dass ein Löffel Hanfsamen im Müsli oder ein paar Tropfen CBD-Öl genügen, um genug Vitamine zu bekommen, erliegt einem Irrglauben.
Auch auf psychologischer Ebene ist diese Einstellung riskant: Sie erzeugt eine falsche Sicherheit. Wer sich auf eine scheinbare Wunderpflanze verlässt, könnte eine ausgewogene Ernährung, Bewegung, guten Schlaf oder eben auch die Zufuhr bestimmter Vitamine vernachlässigen.

Die Bedeutung einer ausgewogenen Nährstoffversorgung
Cannabis ist eine faszinierende Pflanze mit viel medizinischem Potenzial. In Form von CBD-Ölen, Extrakten oder standardisierten Medikamenten kann es in bestimmten Fällen klassische Behandlungen ergänzen. Das gilt vor allem bei chronischen Schmerzen, Schlafstörungen oder neurologischen Erkrankungen. Doch diese positiven Eigenschaften verleiten manche dazu, Cannabis als universelles Gesundheitselixier zu betrachten.
Ein ganzheitlicher Gesundheitsansatz beruht nicht auf einem einzelnen Wirkstoff, sondern auf einem Zusammenspiel vieler Faktoren: ausgewogene Ernährung, ausreichende Bewegung, guter Schlaf, mentale Gesundheit und die Versorgung mit Mikronährstoffen wie Vitaminen.
Wer glaubt, er könne diese Grundlagen durch den Konsum von Hanf-Produkten ersetzen, verkennt die biologischen Zusammenhänge.
Cannabis kann viel, aber nicht alles.
Häufige Fragen
Kann ich durch Hanfprodukte wie CBD-Öl auf Vitamine verzichten?
Nein. CBD-Öl und andere Hanfprodukte enthalten keine relevanten Mengen an vielen essenziellen Vitaminen.
Ist Cannabis gesünder als synthetische Vitaminpräparate?
Das lässt sich nicht vergleichen. Vitamine erfüllen konkrete biologische Funktionen. Cannabis kann bestimmte Symptome lindern, ersetzt aber keine Mikronährstoffe.
Was passiert, wenn ich Vitamine vernachlässige und stattdessen regelmäßig Cannabis konsumiere?
Ein Vitaminmangel kann langfristig zu schweren gesundheitlichen Problemen führen. Cannabis kann in diesem Fall nicht ausgleichen, sondern im Gegenteil zusätzliche Risiken für Körper und Psyche mit sich bringen.
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