Was versteht man unter Telemedizin?
Telemedizin ist ein allgemeiner Begriff, der verwendet wird, um die Bereitstellung medizinischer Versorgung aus der Ferne durch den Einsatz von Telekommunikationstechnologie zu beschreiben.
Die Idee, Patienten aus der Ferne zu betreuen, gibt es seit mindestens 70 Jahren. Erst in den letzten 15 Jahren ist die technische Infrastruktur entstanden, die dieses Konzept im Arbeitsalltag von Krankenhäusern, Arztpraxen und Pflegeheimen nutzbar macht.
Die Lockdowns durch COVID-19 haben für einen zusätzlichen Schub gesorgt. Das Beratungsunternehmen McKinsey hat eine Studie durchgeführt, die zeigt, dass durch COVID-19 viele Patienten begonnen haben, ihre Arztbesuche durch Konsultationen über das Internet zu ersetzen.
Mehr als drei Viertel der Menschen können sich vorstellen, Telemedizin irgendwann zu nutzen. (Quelle: mckinsey.com)
Es gibt zwei Arten von Telemedizin: Sie kann synchron oder asynchron sein.
Bei der synchronen Variante nutzt der Arzt die Technologie in Echtzeit, um Patienten zu beraten. Es handelt sich normalerweise um einen Videoanruf zwischen Arzt und Patient. Es kann aber auch sein, dass ein Arzt einen anderen Mediziner konsultiert. (Quelle: medicusunion.at)
Bei der asynchronen Telemedizin werden medizinische Daten wie Röntgenbilder und Sprachaufzeichnungen zur Offline-Beurteilung an einen Arzt geschickt. Auch Online-Portale, auf denen Kommunikation zwischen Ärzten und Patienten, oder zwischen verschiedenen Ärzten stattfindet, fallen in diese Gruppe.
Ein weiteres Beispiel sind Empfehlungen zu Medikamenten, die Apotheker an den behandelnden Arzt eines Patienten schicken können. (Quelle: healthcare-digital.de)
Was kann die Telemedizin leisten?
Die Liste der Krankheiten und Symptome, die sich mittels Telemedizin behandeln lassen, ist sehr lang. Sie reicht von Allergien und Asthma über Infektionskrankheiten aller Art, Verdauungsstörungen, Insektenstiche und Sportverletzungen bis hin zu Harnwegsinfektionen.
Wie telemedizinische Dienste genutzt werden, ist je nach Fachgebiet sehr unterschiedlich. Ein Chirurg kann beispielsweise durch Telemedizin über die Heilung eines Patienten nach einer Operation auf dem Laufenden bleiben.
Eine Gynäkologin kann ihre Patientinnen aus der Distanz zu verschiedenen Möglichkeiten der Verhütung beraten, oder ein Internist kann aktuelle Laborergebnisse mit einem Patienten über einen Video-Chat besprechen.
- Erektionsstörungen
- STI Tests
- Asthma
- Übergewicht
- Bluthochdruck
- und viele mehr
Technische Voraussetzungen
Im einfachsten Fall genügt eine Internetverbindung, um über einen Videoanruf telemedizinische Leistungen in Anspruch zu nehmen. Der Trend geht heute jedoch zu HIPAA-konformen Tools für Videokonferenzen. (Quelle: proofpoint.com)
Technisch gesehen gibt es verschiedene Arten von Verbindungen, die Telemedizin ermöglichen:
- Verbindungen mit Überwachungszentren für die Fernüberwachung von Patienten.
- Vernetzte Verbindungen zwischen kleineren Krankenhäusern und größeren Kliniken.
- Punkt-zu-Punkt-Verbindungen über Hochgeschwindigkeitsleitungen, um es beispielsweise Kliniken zu ermöglichen, medizinische Leistungen an Spezialisten an anderen Standorten auszulagern.
Manchmal scheitern telemedizinische Anwendungen noch an der ungenügenden technischen Infrastruktur für die Internetverbindungen. (Quelle: aerztezeitung.de)
Vorteile der Telemedizin
Die Telemedizin bringt eine Reihe von Vorteilen mit sich, die in den kommenden Jahrzehnten ziemlich sicher zu einer Verbesserung der Gesundheitsversorgung führen werden:
1. Verbesserter Zugang zur Gesundheitsversorgung
Ursprünglich wurde die Telemedizin in den USA und Großbritannien entwickelt, um Engpässen in ländlichen Gegenden entgegenzuwirken. Heute können Patienten, die an abgelegenen Orten leben, über ihren Internetanschluss medizinische Spezialisten konsultieren, anstatt weite Reisen zu machen.
Menschen in den Städten bekommen schneller einen Termin und Menschen mit eingeschränkter Mobilität brauchen nicht direkt in die Praxis zu kommen.
2. Bequemlichkeit
Durch Telemedizin müssen Patienten sehr viel seltener einen Arzt persönlich aufsuchen und stundenlang in Wartezimmern sitzen.
Lange Wartezeiten sind frustrierend, insbesondere für diejenigen Patienten, die durch ihre Krankheit sowieso schon geschwächt sind. Es ist auch ärgerlich, wenn man lange auf einen Termin warten muss.
Dabei steht Deutschland mit einer Wartezeit von bis zu vier Wochen für die meisten Besuche bei Fachärzten im internationalen Vergleich noch gut da. (Quelle: aerzteblatt.de)
3. Einfacherer Austausch von Meinungen und Ideen
Telemedizin ermöglicht es Medizinern, Informationen mit anderen Ärzten auf der ganzen Welt auszutauschen. Nahe Angehörige, die weit entfernt von einem Patienten leben, können sich über den Zustand ihres Familienmitglieds informieren.
Die Patienten selbst können sich einfacher direkt an ihren Arzt wenden und Fragen stellen. Durch die einfachere Kommunikation verbessert sich oft die Beziehung zwischen Arzt und Patient.
4. Niedrigere Kosten für Arztbesuche
Laut Zahlen der Weltbank gibt Deutschland etwa 12 Prozent des BIP für die Gesundheitsversorgung aus. (Quelle: data.worldbank.org)
Pro Jahr und Kopf sind das über 5.000 Euro. Wie sich diese Kosten zusammensetzen, findet man auf der Seite des Statistischen Landesamts Baden-Württemberg aufgelistet. (Quelle: statistik-bw.de)
Manche dieser Ausgaben sind unnötig und vermeidbar.
Durch Telemedizin lassen sich Besuche in der Notaufnahme vermeiden. Auch die Kosten bei einem gewöhnlichen Arztbesuch werden geringer. Durch den besseren Informationsfluss sind weniger teure Untersuchungen nötig.
Laut der oben erwähnten Studie von McKinsey entfallen 20 Prozent der Besuche in der Notaufnahme, wenn es die Möglichkeit einer virtuellen Notfallversorgung gibt. Mindestens jeder vierte Arztbesuch lässt sich schon heute durch eine Konsultation per Telemedizin ersetzen.
5. Zugriff auf zusätzliche Informationen
Wenn Mediziner sich per Video mit Patienten unterhalten, können sie sich ein Bild davon machen, wie das Leben des Patienten zu Hause aussieht, was ihnen wichtige Hinweise auf seine Gesundheit geben kann. Und wenn Patienten sich nicht an den Namen des Medikaments erinnern, das sie einnehmen, können sie einfach die Packung aus der Hausapotheke nehmen.
Mögliche Nachteile der Telemedizin
Wo viel Licht ist, gibt es immer auch etwas Schatten. Verschiedene Anbieter von Gesundheitsleistungen, Krankenkassen und Politiker beschäftigen sich mit den Grenzen dieser Entwicklung. Zu den möglichen Schattenseiten der Telemedizin gehören die folgenden Punkte:
1. Digitale Kluft
Die Telemedizin soll dazu dienen, möglichst viele Menschen medizinisch zu versorgen. Manche Gruppen haben jedoch weniger Zugang zu schnellen Internetverbindungen oder nicht das nötige Wissen, um an der Telemedizin teilzunehmen.
Das gilt für Senioren, Einwanderer und Menschen mit geringer Bildung. Bei allen diesen Gruppen gibt es Barrieren, um die für Telemedizin nötige Technologie zu bekommen und einzusetzen.
Wenn Patienten nicht gerne auf Deutsch kommunizieren, sind sie möglicherweise nicht bereit, sich über einen Videochat an einen Arzt zu wenden. Sie verstehen möglicherweise auch nicht, wie man auf diese Weise einen Arztbesuch abwickeln kann.
Bei einer Studie der University of Pennsylvania aus dem Jahr 2020 mit 3.000 erwachsenen Kardiologiepatienten wurde festgestellt, dass 54 Prozent von ihnen ihre Termine für telemedizinische Konsultationen absagten oder nicht wahrnahmen. Der wichtigste Grund dafür waren mangelnde Englischkenntnisse. (Quelle: pennmedicine.org)
2. Erforderliche Schulungen
Die Voraussetzungen für Telemedizin sind teilweise technischer Natur. Einerseits muss die Infrastruktur dafür gegeben sein. Die Anwendung von Telemedizin erfordert aber auch Wissen und Schulungen bei den Ärzten, dem Pflegepersonal und den Beschäftigten in der medizinischen Verwaltung.
Hausärzte und Fachärzte müssen bereit sein, neue Techniken zu erlernen und in ihren Arbeitsalltag zu integrieren.
3. Ein weniger persönliches Verhältnis zwischen Arzt und Patient
Obwohl die Patienten durch die Telemedizin ihre Ärzte leichter erreichten, stößt sie an ihre Grenzen, wenn es um körperliche Untersuchungen geht.
Manchmal ist es notwendig, dass ein Arzt einen Patienten abhört oder abtastet. Manchen Menschen fällt es schwer, sich an Arztbesuche ohne persönlichen Kontakt zu gewöhnen.
Persönliche Arztbesuche mit unmittelbarem Kontakt werden auch in Zukunft manchmal notwendig sein. Durch die Telemedizin werden sie jedoch seltener.
4. Zusätzliche Gebühren
Manche Ärzte (vor allem Spezialisten) werden ihren Patienten zusätzliche Gebühren für Konsultationen über Telemedizin verrechnen. Manche dieser Gebühren werden nicht von den Krankenkassen erstattet. Somit kann es sein, dass die Patienten zusätzliche Kosten aus eigener Taschen zahlen müssen.
5. Unklare Richtlinien
Weil die Technologien sich schnell entwickeln, haben politische Entscheidungsträger Schwierigkeiten dabei, vernünftige Regelungen dafür zu schaffen. Es gibt Unsicherheiten im Umgang mit den Patientendaten und mit der Haftung der Ärzte für Behandlungsfehler.
Besonders der Bereich Datenschutz ist ein komplexes Gebiet, bei dem es Probleme mit der Umsetzung gibt. (Quelle: datenschutz.org)
Fazit: Bessere medizinischer Versorgung, aber auch einige Nachteile
Die Möglichkeiten des Trends Telemedizin sind noch längst nicht ausgeschöpft. Für die meisten Menschen wird es dadurch einfacher, sich an einen Arzt zu wenden und Medikamente zu bekommen, auch wenn sie an abgelegenen Orten wohnen.
Durch den leichteren Informationsaustausch wird sich die Qualität der Diagnosen verbessern und mehr Menschen werden Zugang zum Wissen von Spezialisten bekommen. Das Gesundheitssystem wird Kosten einsparen können.
Die Telemedizin bringt also eine ganze Menge Vorteile. Sie hat jedoch auch einige Nachteile, weil sie für manche Gruppen weniger zugänglich ist als für andere, weil sie einigen Lernaufwand für die Ärzte mit sich bringt und weil zusätzliche Gebühren entstehen können.
Insgesamt dürfte sie für die Mehrheit der Beteiligten schon jetzt eine Verbesserung darstellen und den Zugang zu medizinischen Leistungen vereinfachen.