- Welche Erkrankungen durch medizinisches Cannabis behandelt werden können
- Was Studien über die Wirksamkeit von Cannabis bei chronischen Schmerzen zeigen
- Wie Cannabis-Therapien bei Migräne, Epilepsie und Multiple Sklerose wirken
- Warum der Nutzen von Cannabis bei Schlafstörungen kritisch betrachtet werden sollte
- Wie Experten die Rolle von Cannabis in der modernen Medizin bewerten

Wie Sie vielleicht schon in den Nachrichten gehört haben, plant die CDU (beim Gewinn der Wahlen im Februar 2025) die Cannabis-Legalisierung rückgängig zu machen.
Wobei sich die politische Debatte hauptsächlich um den Freizeitkonsum dreht, gerät eine wichtige Perspektive in den Hintergrund: die medizinische Bedeutung von Cannabis.
Haben Sie sich jemals gefragt, warum ausgerechnet diese jahrhundertealte Heilpflanze in den letzten Jahren eine solche Renaissance in der modernen Medizin erlebt?
Die Antwort liegt in spannenden Forschungsergebnissen: Von der Schmerztherapie bis zur Epilepsiebehandlung zeigen klinische Studien immer deutlicher, dass Cannabis dort Hoffnung bringen kann, wo herkömmliche Therapien an ihre Grenzen stoßen.

Wobei hilft Cannabis wirklich?
Wenn wir alle potenziellen medizinischen Nutzen von Cannabis aufzählen würden, würde das den Rahmen dieses Beitrages sprengen. Hier sind einige Anwendungszwecke, die wir besonders spannend finden.
Die stille Revolution in der Schmerztherapie
Millionen Menschen in Deutschland leiden täglich unter chronischen Schmerzen. Doch die medizinische Forschung macht Hoffnung: Cannabis entwickelt sich zur wertvollen Alternative in der modernen Schmerztherapie.
Eine bahnbrechende australische Studie mit über 3.100 Patienten war diesbezüglich besonders aussagekräftig.
Bei 68,6 % der Teilnehmer waren chronische nicht-krebsbedingte Schmerzen der Hauptgrund für die Behandlung. Weitere Anwendungsgebiete waren Krebsschmerzen, Schlaflosigkeit und Angstzustände.
Besonders aufschlussreich: Die Patienten berichteten starken Verbesserungen in allen acht Bereichen des sogenannten SF-36-Fragebogens zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität:
- Körperliche Funktionsfähigkeit: Alltägliche physische Aktivitäten
- Körperliche Rollenfunktion: Einschränkungen bei der Arbeit oder anderen täglichen Aktivitäten
- Körperliche Schmerzen: Schmerzintensität und ihr Einfluss auf normale Tätigkeiten
- Allgemeine Gesundheitswahrnehmung: Persönliche Beurteilung der Gesundheit
- Vitalität: Energie und Müdigkeit
- Soziale Funktionsfähigkeit: Ausmaß der Beeinträchtigung sozialer Aktivitäten
- Emotionale Rollenfunktion: Gefühlsbedingte Einschränkungen bei der Arbeit oder anderen Aktivitäten
- Psychisches Wohlbefinden: Allgemeine mentale Gesundheit
Von 2.919 gemeldeten Nebenwirkungen wurden nur 2 als schwerwiegend eingestuft.
Eine andere Studie zeigte: In 3 großen Studiengruppen – 325 Patienten mit chronischen Schmerzen, 396 Patienten mit neuropathischen Schmerzen und beeindruckenden 1.600 Patienten mit Multipler Sklerose – bestätigten sich die positiven Effekte.
Neue Hoffnung für Migräne-Geplagte
Wer unter Migräne leidet, kennt die verzweifelte Suche nach wirksamer Hilfe. Jetzt zeigt die Forschung: Medizinisches Cannabis könnte der lang ersehnte Durchbruch sein.
In einer großen Analyse mit 2.000 Teilnehmern aus Italien und den USA übertrafen die Ergebnisse alle Erwartungen: Die Cannabis-Therapie erwies sich als 51% wirksamer als herkömmliche Behandlungen.
Noch eindrucksvoller: Nach 30 Tagen berichteten die Patienten von deutlich weniger Migränetagen und – besonders wertvoll – nach 6 Monaten – einer spürbaren Linderung der quälenden Begleitsymptome wie Übelkeit und Erbrechen.
Der direkte Vergleich mit dem klassischen Migränemedikament Amitriptylin brachte eine überraschende Erkenntnis: Bei mehr als jedem zehnten Patienten verschwanden die gefürchteten Attacken komplett. Die gute Nachricht für Skeptiker: Die Nebenwirkungen waren mild, selbst bei längerer Anwendung.

- Erektionsstörungen
- STI Tests
- Asthma
- Übergewicht
- Bluthochdruck
- und viele mehr

Symptombekämpfung bei Krebstherapie
Für Krebspatienten ist die Chemotherapie oft ein zweischneidiges Schwert: Sie bekämpft den Krebs, bringt aber häufig belastende Nebenwirkungen mit sich.
Medizinisches Cannabis zeigt hier ein besonderes therapeutisches Potenzial – besonders bei 2 Hauptproblemen der Chemotherapie: Übelkeit und Appetitverlust.
Die Wissenschaft hat den Wirkmechanismus entschlüsselt: Die Cannabinoide CBD und THC reduzieren die Freisetzung von Serotonin aus den Enterochromaffin-Zellen im Dünndarm, das den Brechreiz auslöst.
Besonders interessant für Patienten und Ärzte: CBD, das im Gegensatz zu THC keine psychoaktiven Wirkungen hat, rückt zunehmend in den Fokus der Forschung.
Eine systematische Überprüfung klinischer Studien zeigte, aber: Bei der Appetitverbesserung erwies sich nur Dronabinol – ein synthetisches THC – als signifikant wirksam. Es verbesserte die Geschmackswahrnehmung und steigerte den Appetit vor den Mahlzeiten.
Die gute Nachricht für Betroffene: Die Cannabis-Therapie wurde generell gut vertragen, unabhängig von Produkt und Dosierung. „Dennoch“, mahnen die Forscher, „brauchen wir weitere Studien, um die optimale Dosierung und Anwendung zu bestimmen.“
Der menschliche Körper besitzt ein eigenes Endocannabinoid-System, das bei der Regulierung von Schmerz, Stimmung und Appetit eine wichtige Rolle spielt.
Die Wirkstoffe der Cannabispflanze docken an genau diese körpereigenen Rezeptoren an.
Multiple Sklerose
Die Diagnose Multiple Sklerose bedeutet für 80 % der Betroffenen ein Leben mit schwerwiegenden Symptomen – allen voran Spastik und neuropathische Schmerzen. Obwohl herkömmliche Therapien oft mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden sind, öffnet medizinisches Cannabis neue Türen.
Laborstudien zeigten eine bemerkenswerte Wirkungsweise: Cannabinoide können nicht nur die Entmarkung (die sogenannte: Demyelinisierung) der Nervenfasern bremsen, sondern fördern auch die Remyelinisierung – die Reparatur der schützenden Nervenhülle.
Noch bemerkenswerter: Sie wirken entzündungshemmend, indem sie das Eindringen von Immunzellen in das zentrale Nervensystem reduzieren.Beim Menschen gestaltet sich die Situation komplexer. Aber klinische Studien zeigen positive Effekte: Sowohl als Einzeltherapie als auch in Kombination mit anderen Medikamenten konnte medizinisches Cannabis Spastik und Schmerzen bei MS wirksam reduzieren.
Durch moderne Züchtungsmethoden können Wissenschaftler Cannabis-Pflanzen entwickeln, die besonders reich an medizinisch wirksamen Cannabinoiden wie CBD, CBG oder CBN sind, aber kaum THC enthalten.
So können Patienten die therapeutischen Vorteile der Pflanze nutzen, ohne die berauschende Wirkung in Kauf nehmen zu müssen und ohne auf synthetische Cannabinoide zurückgreifen zu müssen.
Epilepsie
Was schon die Heiler der Antike wussten, belegt nun die moderne Forschung: Cannabis kann bei Epilepsie helfen. Besonders Cannabidiol (CBD), ein nicht-psychoaktiver Wirkstoff der Cannabispflanze, zeigt beeindruckende therapeutische Erfolge – vor allem dort, wo herkömmliche Medikamente versagen.
Ein Durchbruch für Betroffene: Mit Epidiolex® erreichte erstmals ein cannabis-basiertes Medikament, die Zulassung durch die amerikanische FDA und die europäische Arzneimittelagentur EMA. Die klinischen Studien überzeugten besonders bei 3 schweren Epilepsieformen:
- Dravet-Syndrom
- Lennox-Gastaut-Syndrom
- Anfälle im Zusammenhang mit tuberöser Sklerose
Die Zahlen zeigen: Obwohl frühere, kleinere Studien mit weniger als 15 Teilnehmern kaum Wirkung zeigten, belegen neuere Untersuchungen mit über 100 Patienten eine signifikante Reduktion der Anfallshäufigkeit.
Die Nebenwirkungen sind meist harmlos. Selbst anfänglich besorgniserregende Effekte wie erhöhte Leberwerte normalisierten sich im Verlauf der Behandlung oder nach Dosisanpassung.
Eine spannende Frage beschäftigt die Forscher weiterhin: Wirkt CBD eigenständig antiepileptisch oder verstärkt es die Wirkung herkömmlicher Antiepileptika?
Epidiolex® wird nämlich in Kombination mit einem Benzodiazepin verwendet.
Achtung bei Schlaflosigkeit
Bei Schlafproblemen scheint Cannabis auf den ersten Blick vielversprechend. Aber die Forschung zeigt: Der kurzfristige Nutzen könnte langfristig zum Problem werden.
Erste Untersuchungen mittels Polysomnographie zeigten zunächst positive Effekte:
- Verkürzte Einschlafzeit
- Weniger nächtliches Aufwachen
- Mehr Tiefschlaf (Slow Wave Sleep)
- Reduzierte REM-Schlafphasen
Doch hier liegt der Haken: Bei regelmäßigem Konsum entwickelt der Körper eine Toleranz. Die Folgen sind gravierend:
- Verlängerte Einschlafzeiten
- Verringerter Tiefschlaf
Besonders problematisch. Denn gerade der Tiefschlaf ist wichtig für:
- Gehirnregeneration
- Körperliche Erholung
- Gedächtnisbildung
Neuere Studien bestätigen diese Bedenken. Besonders bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen zeigte sich: Je häufiger Cannabis zur Schlafförderung eingesetzt wurde, desto öfter traten Schlafstörungen auf.
Seit April 2024 ist Cannabis in Deutschland unter Auflagen legal. Doch wie funktionieren Cannabis-Clubs, und wo kann man legales Gras kaufen? Dieser Artikel erklärt die wichtigsten Regeln zu Anbau, Jugendschutz und geplanten Fachgeschäften.
Expertenmeinungen zu medizinischen Cannabis
Die WHO-Expertin und Pharmakoepidemiologin Dr. Émilie Jouanjus fasst die aktuelle medizinische Bedeutung von Cannabis zusammen. In einem Interview mit esanum betont sie den gezielten Einsatz dieser Therapieform:
„Das Ziel dieser Initiativen ist es, den Zugang zu Medikamenten auf Cannabisbasis für bestimmte Beschwerden wie Spastizität bei Multipler Sklerose, Schmerzen bei Neuropathie oder Krebs, HIV-bedingte Kachexie oder seltene Formen von Epilepsie zu ermöglichen, wenn herkömmliche Behandlungen versagt haben.“
Dr. George Ivan Gal, ein erfahrener Mediziner mit Spezialisierung auf Cannabis-Therapie, äußerte sich zu den therapeutischen Möglichkeiten:
„Wissenschaftliche Studien zeigen, dass Cannabinoide krebshemmende Eigenschaften haben. Im Jahr 2018 wurde eine israelische Studie veröffentlicht. Es zeigte sich, dass Cannabis viele Symptome lindern kann, die bei einer Krebserkrankung auftreten können, darunter Schlafstörungen, Übelkeit, Appetitlosigkeit, Schwächegefühl und Schmerzen. Cannabis hilft beispielsweise bei Multipler Sklerose, ADHS, aber auch bei Magenerkrankungen wie Morbus Crohn, bei Schlafstörungen oder Depressionen ist es ein wirksames Mittel.
Europäische Apotheker, die seit Mitte des 19. Jahrhunderts die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten der Pflanze erforschten, empfahlen sie als Heilmittel gegen unterschiedliche Leiden wie Rheuma, Cholera, Migräne oder Wundstarrkrampf. Cannabistinkturen waren im letzten Jahrhundert vor allem als Schmerz- und Schlafmittel beliebt.“

Das Fazit!
Was früher nach einer alternativen Heilmethode klang, hat sich durch wissenschaftliche Forschung als wirksame Therapieoption etabliert.
Medizinisches Cannabis kann bei bestimmten Erkrankungen echte Hilfe leisten – sei es bei chronischen Schmerzen, Multipler Sklerose, therapieresistenter Epilepsie oder als Begleittherapie bei Krebs.
Trotzdem ist Cannabis kein Wundermittel. Wie bei jeder Therapie kommt es auf den richtigen Einsatz an. Und es gibt auch einige Studien, die eine zureichende Wirkung bei bestimmten Anwendungszwecken widerlegt haben.
Eines bleibt klar: Die aktuelle politische Debatte um die Cannabis-Legalisierung darf nicht dazu führen, dass Patienten der Zugang zu einer wissenschaftlich fundierten Behandlungsoption erschwert wird.
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