- Wie die unterschiedlichen Bestandteile von Cannabis wirken
- Für welche Indikationen in Deutschland Cannabis verordnet werden kann
- Ob Patienten ihren eigenen Vorrat anbauen dürfen
- Was gegen eine Behandlung mit Cannabis spricht
- Welches Potenzial Forscher Cannabis für die Zukunft einräumen
Seit der Verabschiedung des Gesetzes zur Teil-Legalisierung von Freizeit-Cannabiskonsum in Deutschland erfährt die Hanfpflanze neue Aufmerksamkeit in Medien und in der Bevölkerung. Gänzlich getrennt vom gelegentlichen Kiffen zu sehen, ist die medizinische Verwendung von Cannabis und seinen Endprodukten. Wir beleuchten alle Argumente, die für und gegen die Nutzung von Cannabis als Medikament sprechen.
Wie wirkt Cannabis?
In der Pflanze Hanf sind verschiedene Bestandteile vorhanden, die eine Wirkung auf den menschlichen Körper haben. Sie werden Cannabinoide genannt und es gibt etwa 80 verschiedene, die in jedem Gewächs vorhanden sind.
Unter den bekanntesten befinden sich die Moleküle Tetrahydrocannabinol (THC) sowie Cannabidiol (CBD). Noch sind nicht sämtliche Komponenten von Cannabis bis ins letzte Detail erforscht.
Der von Kiffern gesuchte Effekt befindet sich im THC, das eine psychoaktive Wirkung an den Tag legt. Dem Hanfbestandteil CBD hingegen werden eine Menge potenziell positiver Wirkungen auf den Organismus nachgesagt, darunter die Linderung von Schmerzen und Angstzuständen, die Lösung von Krämpfen und das Mindern von Übelkeit.
Interessanterweise scheinen sich die Wirkung von THC und CBD zu ergänzen:
Wirkung | CBD | THC |
Gegen Magen- und Darmkrämpfe | ✔ | |
Angstlösend | ✔ | |
Schmerzlindernd | ✔ | ✔ |
Hindert das Wachstum von Tumorzellen | ✔ | |
Gegen Übelkeit | ✔ | ✔ |
Gegen Muskelkrämpfe | ✔ | ✔ |
Appetitanregend | ✔ | ✔ |
Entzündungshemmend | ✔ | |
Neuroprotektiv | ✔ | |
Antibakteriell | ✔ |
Wogegen kann Medizinhanf in Deutschland verordnet werden?
In Deutschland ist Medizinalhanf seit März 2017 unter bestimmten Voraussetzungen verschreibungsfähig. Möglich ist dies bei schwer Erkrankten, bei denen Standardtherapien nicht angeschlagen haben.
Infrage kommen etwa Patienten mit Krebserkrankungen, die unter den Nebenwirkungen ihrer Chemotherapie leiden. Auch Menschen mit Aids oder Multipler Sklerose können Cannabis vom Arzt verschrieben bekommen.
Voraussetzung ist allerdings, dass die zuständige Krankenkasse vorab die Genehmigung erteilt hat, andernfalls besteht die Gefahr, dass die Kosten nicht übernommen werden. Eine Ausnahme hierbei ist die Behandlung von Palliativpatienten, bei denen die Verschreibung keinerlei Genehmigung bedarf.
Bedingungen einer erstattungsfähigen Verschreibung von Cannabisprodukten:
- das Vorliegen einer schweren chronischen oder lebensbedrohlichen Erkrankung;
- die vergangene Ausschöpfung anderer Behandlungsmöglichkeiten;
- ein guter Grund zur Annahme, dass medizinisches Cannabis die Beschwerden lindern kann.
Wer verschreibt Cannabis auf Rezept?
Sind die Kriterien einer Verschreibung von Cannabis erfüllt, dann kann jeder Arzt mit Kassenzulassung in Deutschland ein entsprechendes Rezept ausfüllen.
Es gibt Höchstmengen, die pro Monat verschrieben werden dürfen, die nicht überschritten werden können. Das vom Arzt ausgestellte Rezept ist zudem für einen begrenzten Zeitraum von sieben Tagen gültig.
Diese Maßnahmen sollen Missbrauch und Handel mit Arzneimitteln auf Cannabis-Basis verhindern.
- Erektionsstörungen
- STI Tests
- Asthma
- Übergewicht
- Bluthochdruck
- und viele mehr
Dürfen Patienten ihr eigenes Cannabis anbauen?
Menschen mit schweren Krankheiten benötigen eine zuverlässige und konstante Behandlung mit sicheren Arzneimitteln. Der Gehalt der Inhaltsstoffe bei Eigenanbau kann variieren, je nach Pflege, Wetterbedingungen, Dünger und weiteren Faktoren.
Das Ergebnis kann sehr unterschiedlich ausfallen und nicht immer zum gewünschten Effekt führen. Aus diesem Grund sind Fertigarzneien vorzuziehen. Sie werden unter konstanten Bedingungen hergestellt und unterliegen ständigen Kontrollen, sodass der Wirkstoffgehalt garantiert werden kann.
Abgesehen davon handelt es sich bei der Patientengruppe um Menschen, denen die Bürde des Anbaus aufgrund ihrer starken Beschwerden und damit verbundenen Einschränkungen schwerlich auferlegt werden kann.
Kann medizinischer Cannabis Nebenwirkungen haben?
Wie jeder andere Wirkstoff, der dem Körper zugeführt wird, kann auch Cannabis Auswirkungen haben, die als unerwünscht eingestuft werden, also als Nebenwirkungen.
In Bezug auf die in Deutschland zugelassenen Arzneimittel auf Cannabis-Basis umfassen diese beispielsweise Lethargie, Gleichgewichtsstörungen, Konzentrationsstörungen, Übelkeit, Schwindel, Durchfall, Steigerung des Appetits mit Gewichtszunahme und Euphorie.
Das sind – je nach Krankheitsbild – zum Teil genau die gewünschten Ziele einer Behandlung mit einem Hanfprodukt.
Seltener kann es zu Herzrasen, Wahnvorstellungen, Bluthochdruck oder niedrigen Blutdruck, Erbrechen oder Verstopfung sowie weiteren Befindlichkeiten kommen.
„Da Nebenwirkungen nur selten zum Therapieabbruch geführt haben, ist grundsätzlich von weniger schwerwiegenden Nebenwirkungen auszugehen”, befinden die Autoren einer Begleitstudie des Bundesministeriums für Arzneimittel und Medizinprodukte, Dr. Peter Cremer-Schaeffer und G. Schmidt-Wolf.
Sie kommen zu folgender Schlussfolgerung: „Zusammenfassend ist davon auszugehen, dass bisher nicht zugelassene Cannabisarzneimittel ein ähnliches Sicherheitsprofil haben wie die Fertigarzneimittel Sativex, Canemes und Marinol.“
Welche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten gibt es?
Cannabis kann bei gleichzeitiger Einnahme die Wirkung anderer Mittel verstärken. Das gilt insbesondere für Schlaf- und Beruhigungsmittel oder Medikamente, die sich als Nebeneffekt dämpfend auswirken. Aber auch in Verbindung mit Alkohol kann es sein, dass die Nebenwirkungen von Cannabis deutlicher zum Ausdruck kommen.
Die Verwendung von cannabishaltigen Mitteln kann sich zudem auf die Verkehrstüchtigkeit auswirken. Hier ist die Rechtslage nicht eindeutig, hier muss der Gesetzgeber in Zukunft klare Regeln aufstellen.
Wann sollte auf eine Behandlung mit medizinischem Cannabis verzichtet werden?
Präparate mit einem Gehalt an CBD und THC sollten nicht zum Einsatz kommen, wenn
- eine Allergie gegen einen der Bestandteile des Medikaments vorliegen (Achtung: Manche Präparate enthalten Sesam- oder Erdnussöl).
- schwere psychiatrische Vorerkrankungen vorliegen.
- schwere Erkrankungen des Herzens vorliegen.
- die zu behandelnde Erkrankung nicht auf eine Behandlung mit Cannabis oder einem seiner Bestandteile anspricht.
- eine Suchterkrankung vorliegt.
- eine Schwangerschaft vorliegt oder gestillt wird.
- der Patient jünger als 18 Jahre ist.
Sie interessieren sich für Cannabis und die Möglichkeiten therapeutischer Anwendungen? In diesem Artikel finden Sie detaillierte Informationen zur Vielseitigkeit von Cannabis als Heilpflanze und lernen, wie sie in verschiedenen Therapieformen eingesetzt werden kann. Entdecken Sie die wissenschaftlichen Erkenntnisse und praktischen Anwendungsfälle, die Cannabis zu einem spannenden Feld der modernen Medizin machen.
Welche Erkrankungen lassen sich nicht mit Cannabis behandeln?
Keinen nachweisbaren positiven Effekt von THC oder CBD gibt es bisher für Erkrankungen des Darms, Depressionen, Demenz, Psychosen oder auch Glaukome.
Aussichten der medizinischen Cannabinoid-Forschung
Tibor Harkany, Neurobiologe und Leiter der Abteilung für Molekulare Neurowissenschaften am Zentrum für Hirnforschung der MedUni Wien, betont in einem Artikel über den Nutzen von Cannabinoiden in der medizinischen Therapie, dass Cannabinoide im Bereich der Epilepsie aufgrund ihrer schnellen und guten Wirkung sogar zukünftig als Primärtherapie in Frage kommen kann.
Der Psychiater em.O.Univ.Prof. Dr.h.c.mult. Dr.med. Siegfried Kasper, ehemaliger Leiter der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der MedUni Wien sagt: „Es wäre von großer Wichtigkeit, dass sowohl Universitäten als auch Pharmafirmen grundlegende und translationale Studien zur besseren Erforschung der spezifischen Wirkungen von Cannabinoiden initiierten.“
Fazit: Vielversprechend trotz lückenhafter Studienlage
Auch wenn es bisher vergleichsweise wenige Daten zur Anwendung von medizinischem Cannabis gibt, scheinen die Aussichten doch gut zu sein. Medizinalcannabis kommt in Situationen zum Einsatz, in denen Patienten bereits einen langen Leidensweg hinter sich haben.
In Form von Fertigarzneimitteln ist es für Patienten sicher und hat vergleichsweise wenige Nebenwirkungen. Gleichzeitig ist der medizinische Nutzen für eine Vielzahl von Indikationen bewiesen und es ist davon auszugehen, dass weitere Forschung zu einer Ausweitung der Indikationen führen wird.